Aus Köln lernen: Kante zeigen, Kompass norden

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Schluss mit dem Lavieren und Dümpeln: ein medienethischer Kompass – für Journalisten, Funktionsträger und für das (publizierende) Publikum muss die zentrale Lehre sein aus dem medialen und kommunikativen Schlamassel rund um die Ausschreitungen in und nach der Silvesternacht in Köln.

In dieser Krise liegt eine große Chance. Und zwar dann, wenn wir begreifen, wie wichtig es ist, Erklärungen und einen Kompass bereit zu halten für die Entscheidung, welche Informationen dem Publikum zuzumuten sind und öffentlich werden müssen und welche unterlassen werden sollten. Nur so können wir die Wende einleiten weg von demokratiegefährdenden Rundumschlägen gegen Journalismus als solchem, hin zu einer differenzierten und wichtigen Medienkritik; und nur dann kann der Diskurs darüber, wie wir in unserer Gesellschaft leben wollen, konstruktiv Fahrt aufnehmen.

Schweigen oder Veröffentlichen?

Man mag das anfängliche Schweigen insbesondere in öffentlich-rechtlichen Sendeformaten mit Verunsicherung erklären. Aber dies rechtfertigt nichts, sondern mahnt, medienethisch auf Kurs zu kommen, also bewusst Wahrheiten zuzumuten und dem Publikum zuzutrauen, dass es auch unbequeme Wirklichkeiten einzuschätzen vermag.# Weiterlesen

Die Silvesternacht in Köln – medienethische Überlegungen

In der Silvesternacht wurden Frauen sexuell belästigt bis hin zur Vergewaltigung – in Köln, aber auch in Hamburg und Stuttgart. Die Fakten kommen langsam ans Tageslicht, die Interpretationen finden aber bedeutend schneller Verbreitung in der bundesweiten Berichterstattung. Ein Versuch, Diskurse zu diesem Ereignis medienethisch zu analysieren.

Die sexuellen Übergriffe werden verknüpft mit den Themen Kriminalität, Geflohene bzw. Migranten, Frauen und verhandelt in miteinander verschränkten Diskursen zu Asyl, Integration, innere Sicherheit, Strafrecht, Sexismus. Journalist_innen haben in dieser Gemengelage die Pflicht, zu informieren – eine Pflicht, die ihre Grenze dort findet, wo die Menschenwürde verletzt wird. Das ist ein medienethischer Abwägungsprozess, der professionelles Handwerk wie seriösen Faktencheck voraussetzt.

Diskurse zu Kriminalität, Asylrecht, innere Sicherheit

„Null Toleranz gegenüber kriminellen Ausländern“ – das ist der dominierende Tenor in Statements aus der Politik, in der Berichterstattung und vielen Kommentaren. Diese Perspektive bedient vor allem die  Diskurse zu Kriminalität, Asylrecht, innere Sicherheit. Da es sich bei den Tätern nach bisherigen Erkenntnissen um junge nordafrikanische, alkoholisierte Männer handelt, lautet die Forderung, das Asylrecht so zu ändern, dass straffällige Flüchtlinge und Migranten schneller abgeschoben werden können. Eine scheinbar einfache Lösung, die latent rassistischen Ressentiments in der Bevölkerung geschuldet ist. Sie lässt aber viele Fragen offen, die in anderen Diskursen thematisiert werden. Weiterlesen