Mediale Kampfzonen der Meinungsbeeinflussung – Die Jahrestagung des Netzwerks Medienethik 2016

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Netzwerk Medienethik 2016 (Bild: Fabian Norden)

Leben wir tatsächlich in einer medialen Kampfzone der Meinungsbeeinflussung? Bei der Jahrestagung des Netzwerks Medienethik mit 120 Besucherinnen und Besuchern debattieren Experten in München die ethischen Grenzen der strategischen Kommunikation.

Die Digitalisierung ermöglicht ganz neue Formen der Einflussnahme durch Kommunikation. Das Medienhandeln wird im Zusammenhang von Propaganda, PR und Big Data schwieriger. Um die neuen Formen der digitalen Einflussnahme kritisch zu hinterfragen fand daher am 18. und 19.02.2016 in München die Jahrestagung des Netzwerks Medienethik zum Thema „Die Macht der strategischen Kommunikation“ statt. Dort trafen sich Wissenschaftler und Praktiker aus den entsprechenden Bereichen, um einen gemeinsamen Diskurs über die ethischen Anforderungen zu führen, die mit strategischem Kommunizieren verbunden sind.

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Curt Simon Harlinghausen, Romy Fröhlich (Bild: Fabian Norden)

Am ersten Tag sprachen Kommunikationexperten wie Christopher Storck und Curt Simon Harlinghausen über die Differenz zwischen Glaubwürdigkeit und Effektivität von PR-Arbeit. Erhalten wir durch neue Medien mehr Transparenz oder haben wir es mit einer fluiden Struktur zu tun, die eine schwer kontrollierbare Eigendynamik entwickelt? Da Kommunikation nicht mehr nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Technologien und in immer neuen Kommunikationsräumen stattfindet, stehen wir einem Phänomen gegenüber, das aufgrund seiner Komplexität schwer zu fassen ist. Es gibt daher einen gesteigerten Bedarf an normativer Orientierung in der Medienpraxis – und auch in den Kommunikationswissenschaften. Guido Zurstiege sieht als größtes Hindernis dafür die Schnelllebigkeit unserer Zeit: „Ethik heißt Reflexion und Reflexion heißt Zeit. Allerdings haben wir keine Zeit.“ Auch Julius van de Laar räumte am Abend des ersten Tages der Ethik eine gewisse Wichtigkeit ein, als er über die Gewinnung von Wählerstimmen sprach. Obamas US Wahlkämpfer erzählte dabei von der Balance zwischen Wahlkampagnen und Einflussnahme. Er verwies auf die Notwendigkeit, trotz erwünschter Effektivität von Kampagnen gewisse ethische Grenzen zu ziehen.

12716227_1021794561220812_5069272319994539360_oAm zweiten Tag stellte auch Thilo Hagendorff die Frage danach, ob der Zweck die Mittel heiligt und kam zu dem Ergebnis, dass beim Einsatz für fundamentale moralische Grundgüter fragwürdige Methoden der strategischen Kommunikation zulässig sind. Soziale Bewegungen, die sich beispielsweise für Umwelt- oder Klimaschutz einsetzen, dürften für ihren Erfolg eine solche effektive Öffentlichkeitsarbeit  betreiben. Allerdings wurde bei einer lebhaften Diskussion unter den Experten festgestellt, dass Glaubwürdigkeit immer nachhaltiger wirkt und zudem ethisch geboten ist.  Strategische Kommunikation, die nur auf Verhaltensänderung abzielt, ist demnach nachhaltig nicht effektiv, während öffentliche Kommunikation, die Verstehen und Einsicht erreichen will, durchaus wünschenswert ist. Günter Bentele untersuchte Propaganda als Form der Öffentlichkeitsarbeit daraufhin, ob sie mithilfe von normativer und deskriptiver Ethik bewertet werden kann und kam ebenso zu dem Schluss, dass die Diskrepanz zwischen dargestellter und tatsächlicher Wirklichkeit zu Unglaubwürdigkeit führt und infolgedessen ineffektiv ist.

All diese Entwicklungen legen zwar zunächst eine pessimistische Sicht auf die neuen Phänomene nahe, man darf dabei aber nicht außer Acht lassen, dass der öffentliche Diskurs und die Pressefreiheit in demokratischen Gesellschaften eine enorm wichtige Funktion haben. Journalisten sollten sich allen interessengeleiteten Einflüssen entziehen (Thomas Leif). Um in dem komplexen Geflecht des Medienhandelns nicht die Kontrolle zu verlieren, ist Aufklärung und Bildung das A und O. Besonders junge Leute sollten daher meinungsbildende Prozesse aktiv mitgestalten und sich früh Medienkompetenz aneignen (Ulrike Wagner). Dabei sind vor allem die Schulen und die Lehrenden in die Pflicht genommen, denn es geht darum die Qualität des öffentlichen Diskurses und damit einen zentralen Wert der Demokratie zu wahren.

Netzwerk Medienethik

netzwerk-medienethik_Logo_Twitter-Profil-rotDas Netzwerk Medienethik ist eine Initiative von Einzelpersonen und Institutionen, die seit 1997 den medienkritischen Diskurs in Deutschland, Österreich und der Schweiz bündelt und vorantreibt. Als offene Vernetzungs-Plattform und als freie Arbeitsgemeinschaft widmet sich das Netzwerk Medienethik der gesellschaftlich wichtigen Aufgabe, ethische Orientierung im Kommunikations- und Medienkontext zu liefern. Durch die Vernetzung von Expertise aus Wissenschaft und Praxis und durch die Mitgestaltung der öffentlichen medienkritischen Debatte über die Qualität von Journalismus, Unterhaltung, öffentlicher Kommunikation und Medienbildung leistet das Netzwerk Medienethik einen wertvollen Beitrag für eine freie und demokratische Gesellschaft.

Die nächste Jahrestagung des Netzwerks Medienethik am 16./17. Februar 2017 behandelt die Rolle der Medien und der Kommunikation für „Integration“. Weitere Informationen unter htttp://tagung2017.netzwerk-medienethik.de.

Zuerst erschienen im DPRG-Journal.

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