„Die Zukunft des Journalismus“ – Jahrestagung 2015 führt Journalisten und Wissenschaftler zu einem Austausch zusammen.

DSC_0567Die Zukunft des Journalismus steht besonders seit dem Einzug der Digitalisierung zur Debatte. Neben einer ökonomischen Krise sieht sich besonders der Qualitätsjournalismus auch mit einem Glaubwürdigkeitsverlust konfrontiert. Anlass genug, auf der Jahrestagung des Netzwerks Medienethik nach Antworten auf die Frage nach der Zukunft des Journalismus zu suchen.

Erstmalig teilte das Organisationsteam (Bernhard Debatin, Alexander Filipović, Jessica Heesen, Marlis Prinzing, Ingrid Stapf) hierfür die Tagung in einen Tag mit Fokus Praxis und einen Wissenschaftstag auf (Programm). Aus der Sicht der Praxis betrachtete man am Donnerstag zunächst die journalistischen Formen im Wandel und gab einen Ausblick auf neue Formate, bevor es um die normativen Ansprüche an den Journalismus der Zukunft ging.

Tag 1: Fokus Praxis

Den Auftakt machte Juliane Leopold, die als Chefradakteurin der deutschen BuzzFeed-Seite aufzeigte, dass der Startseite eines Portals kaum noch Bedeutung zukäme, da die meisten Nutzer über soziale Medien direkt zu einzelnen Beiträgen gelangen würden. Viel wichtiger sei daher die Aufbereitung der Inhalte, die gerade für Mobile User optimiert werden müssten. Auch Martin Kotynek, Redakteur von ZEIT Online, bestätigte dies in seinem Vortrag zu Formen und Formaten im Wandel. Die Digitalität mache auch die Auswertung des Nutzerverhaltens zum Teil journalistischer Praxis. Dadurch gelinge es den Redaktionen, genauer auf die Anforderungen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu reagieren.

DSC_0375In der anschließenden Plenumsdiskussion wurde auch klar, dass diese neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Besonderen auf die mobile Nutzung und auf Soziale Medien eingegrenzt werden können. Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF, kritisierte insbesondere die Qualitätsmedien, die sich vermehrt mit ihrer Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Leser / Nutzer streiten. Das eigentliche Kerngeschäft scheint dabei an einigen Stellen keine Priorität mehr zu besitzen. Die Tugenden des klassischen Journalismus, wie sorgfältige Recherche, Achtung der Menschenwürde und Unabhängigkeit sollten wieder mehr in den Fokus rücken. Er sah es als notwendig an und stimmt hier mit seinem nachfolgenden Redner Bernhard Debatin überein, dass insbesondere am Verhalten der einzelnen Journalisten angesetzt und somit die Individualethik gestärkt werden müsse. Anschließend ging es in einer Podiumsdiskussion mit Hakan Tanriverdi (Journalist, Süddeutsche.de), David Schraven (Journalist, Correctiv), Thomas Nückel (Medienpolitiker, FDP NRW) und Rainer Tief (Bayerischer Rundfunk) aus verschiedenen Perspektiven insbesondere um konkrete Gestaltungsideen für den Journalismus der Zukunft. Abgerundet wurde der Tag mit einer Diskussion von Stefan Plöchinger, Chefredakteur von Süddeutsche.de, mit Tagungsmitorganisator Alexander Filipović.

Tag 2: Fokus auf Wissenschaft

Der Freitag mit dem Fokus auf Wissenschaft machte deutlich, dass unter den Wissenschaftler/innen Uneinigkeit herrschte: zwar solle die Individualethik gestärkt werden (Michael Haller), unter einem zunehmenden ökonomischen Druck und teils erschwerten redaktionellen Arbeitsbedingungen seien aber auch Redaktionen, Medienunternehmen und Medienpolitik in die Pflicht zu nehmen, wie Silke Fürst und Mike Meißner mit ihrer Studie zeigen.

Im selben Panel wirft Beatrice Dernbach die Frage auf, ob nicht das Erzählen unterhaltsamer Geschichten mit der Pflicht zur authentischen Rekonstruktion von relevanten Ereignissen konfligiert und damit die Grenze zwischen Informationspflicht und Unterhaltung verschwimmt? Anhand zweier Fallbeispiele wird die Berichterstattung den Kriterien des Pressekodex gegenübergestellt und ausgewertet. Horst Pöttker verweist in seinem Vortrag auf die traditionelle Rolle des Journalisten als  unbeteiligtem Beobachter und geht der Frage nach, wie sich diese ändern müsse, um im digitalen Zeitalter bestehen zu können.

Nina Köberer und Marc Sehr erörterten in ihrem Beitrag, inwiefern die Verifikation von Bildmaterial in den Sozialen Medien neue Herausforderungen gleichermaßen an den professionellen Journalismus wie an die Nutzer stellt. Der Vortrag erläuterte, wie der Verifikationsprozess der ARD durch die Agentur storyful ergänzt und welche Kriterien für die Verifikation der „Echtheit“ der Inhalte herangezogen werden. Ergänzend wurde auf medienethische Herausforderungen bezüglich der Journalisten und Rezipienten eigegangen, die sich mit derartigem Material konfrontiert sehen. Das Mittagspanel schloss Bild-21Klaus Dieter Altmeppen ab, der auf die zunehmende Automatisierung von Nachrichten durch Algorithmen und Bots und die dadurch stattfindende Tangierung journalistischen Berufshandelns und dessen Verantwortung einging. Kerstin Liesem stellte ihre mit Svenja-Ellen Singer durchgeführte Studie zur Bekanntheit ausgewählter professionsethischer Normen im Zusammenhang mit der Kriminalberichterstattung vor, in welcher Laien wie Journalisten zum Pressekodex befragt wurden. Den zweiten Tag der Jahrestagung schloss Christian Schicha mit seinem Vortrag zu Medienskandalen im Medienmagazin „ZAPP“ ab. Er thematisierte neben der Rolle der Experten auch die Dramaturgie und Aufbau der Filme und fragte insbesondere nach den journalistischen Normverletzungen, die in den Sendungen thematisiert werden.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Normen Transparenz und Ausgewogenheit eine wichtige Rolle in der digitalen Berichterstattung haben und gestärkt werden sollten. Zusätzlich muss auch der Rezipient wieder verstärkt in den Fokus genommen werden, bedingt insbesondere durch die Herausforderungen einer individualisierten Mediennutzung. Der Medienkompetenzförderung, gerade in Hinblick auf das Erkennen und Beurteilen von (Nachrichten-) Inhalten, die über soziale Medien verbreitet werden, scheint hier große Bedeutung zuzukommen. Die Verbindung von Praxis und Wissenschaft lieferte zwar keine umfassende Antwort auf die Frage nach der Zukunft des Journalismus, formulierte und diskutierte aber Denkanstöße und Perspektiven, die für Journalisten wie Wissenschaftler gleichermaßen relevant sind.

Jahrestagung 2016: Die Macht der neuen Propaganda

Schon jetzt herzliche Einladung zur Tagung im Februar 2016: Die Jahrestagung 2016 findet statt am Do 18. – Fr 19. Februar 2016. Thema: Die Macht der neuen Propaganda: Strategische Kommunikation im Zusammenhang von Manipulation, Terror und Big Data (Arbeitstitel).

 

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